Die Bücherdiebin

Kein Buch // 无书
Ich schreibe gerne. Und daher lese ich auch gerne. Nun ist es hier vor Ort etwas kompliziert, deutsche Bücher zu kaufen, und wenn ich sage kompliziert dann meine ich: unmöglich. Natürlich kann ich über amazon.de bestellen, aber mit der Anschrift in chinesisch ist das so eine Sache, es kostet eine Menge Porto, und niemand weiß, ob und wann eine Lieferung ankommt, und wen man fragen kann wenn man nach wochenlanger Wartezeit immer noch keine Post erhalten hat. Kurzum: Recht nervig, und teuer, und umständlich.
Die Alternative wäre mit der Zeit zu gehen, und sich einen Kindle anzuschaffen. Dagegen habe ich mich die ganze Zeit über gewehrt. Das ist doch dann kein echtes Buch mehr, moderner Schnickschnack, die ganze Welt wird digitalisiert, das will ich nicht unterstützen.
Jetzt sprechen aber gerade in meiner Situation einige gewichtige Gründe für den Kauf des elektronischen Readers. Hunderte von Geschichten und Fachzeitschriften, die hier nirgendwo zu bekommen sind – alles in einem kleinen, handlichen Gerät. Alle aktuellen Publikationen sofort zu haben, viele mit einer kostenlosen Vorschau auf die ersten Seiten, nach denen ich auch im Buchladen über kaufen oder nicht kaufen entscheiden würde. Komfortables Lesen auf einem wirklich phänomenalen Bildschirm. Preisgünstiger als die gedruckte Version. Und vor allem in sekundenschnelle runtergeladen und damit präsent. Und ich habe noch einen Gutschein bei Amazon offen, womit dieser Schritt für mich persönlich quasi kostenfrei wäre.
Also gut, man muss mit der Zeit gehen, Ignoranz bedeutet Stillstand – her mit dem Ding. Doch bevor ich die Bestellung abschicken wollte, habe ich mich noch mal kurz vor mein aktuelles und sehr bescheidenes Bücherregal gestellt. Auch ein bisschen, um mich im Voraus bei den Anwesenden zu entschuldigen, dass sie keine neue Gesellschaft mehr bekommen werden. In diesem Regal stehen (neben Reise- und Sprachführern) siebzehn Bücher. Und alle sind in einem unterschiedlichen Zustand. Eins ist noch völlig unberührt, weil neu. Eins lese ich gerade und hatte es daher gestern bei mir in der Tasche als eine Flasche Wasser ausgelaufen ist. Einige habe ich seit Jahren immer mit auf Reisen und dadurch sind die Umschläge stark beschädigt, eins davon habe ich mal am Pool gelesen und es ist dabei ganz wellig geworden, eins war mit am Strand und noch heute finde ich Sandkörner darin, eins hatte ich wohl mal mit beim Essen und es ist daher voller Flecken. Eins habe ich seit fast einem Jahrzehnt, unzählige Male ist darin hin- und hergeblättert worden. Bei einem bin ich über die ersten zwanzig Seiten nicht hinausgekommen, aber nehme es trotzdem ab und an mal in die Hand. Eins ist in meiner Ausgabe so gar nicht mehr zu haben. Eins war gebraucht gekauft und ist nun noch mehr vergilbt als ohnehin schon. Eins ist vom Autor nach einer Lesung signiert worden. Und eins hat mir meine liebe Freundin Bianca geschenkt, mit einer unvergleichlichen Widmung vornedrin.
Ich habe es mir anders überlegt.
Ich behalte meinen Gutschein.
Das Ding wird nicht bestellt.