Von Hühnern und Menschen
Christine am 14. June 2012
Hühnermoped // 鸡摩托车
In unserer Straße werden an zahlreichen mobilen Verkaufsständen die unterschiedlichsten Dinge und Geschöpfe zum Verkauf angeboten: Blumen und Haushaltswaren, Obst und Gemüse, Gebratenes und Gegrilltes, Fische und Frösche. Und: Geflügel. Dies geschieht von einem Moped aus, welches immer direkt neben meiner Bushaltestelle steht, an der ich des Öfteren eine längere Wartezeit zu überbrücken habe. Nicht selten werde ich dann Zeuge eines Prozedere, das man einmal gesehen haben sollte. Für diejenigen, denen dies sobald nicht vergönnt sein wird, beschreibe ich den genauen Ablauf hier gerne:
Das Angebot, sprich die Hähne, Hühner, Enten, Gänse und Tauben sitzen entweder in oder auf einem Käfig, der auf dem Rücksitz angebracht ist. Oder sie schauen aus einem der angehängten Beutel heraus. Und warten gemeinsam mit dem Herrn Verkäufer geduldig auf Kundschaft. Wenn diese schließlich erscheint, dann wird eines der Tiere ausgewählt, und zwar mit lautstarker und gestenreicher Unterstützung der umstehender Passanten. Welche Kriterien hierbei zur Entscheidung führen, das entzieht sich leider komplett meiner Kenntnis. Das schließlich Auserwählte wird dann kopfüber hochgehalten, abgewogen, es folgt eine ebenfalls wortreiche Preisverhandlung, immer, bevor mit einem kleinen Klappmesser zunächst der Hals des Vogels aufgeschnitten wird. Zur schnelleren Ausblutung folgt ein meist etwas unkontrolliertes Schütteln, weswegen die benachbarten Stände grundsätzlich in einiger Entfernung platziert sind. Als nächstes wird das Tier in einen Kessel mit heißem Wasser getunkt, welcher am Lenker angebracht ist und unter dem sich eine Gasflamme befindet. Federn ab, dann zum (Gedärme-)Eimer hinten am Moped, aufschneiden, ausnehmen – alles unter den prüfenden Blicken der immer noch anwesenden bzw. neu dazu gestoßenen Zuschauer. Kleine blaue Plastiktüte, Geldübergabe, auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal!
Ich frage mich jedes Mal, ob die während der gesamten Angelegenheit zuschauenden Artgenossen ahnen, was dies für ihr eigenes Schicksal bedeutet.
Und jedes Mal bleibt mir nur eins zu tun: Allen gefiederten Beteiligten eine ausgeprägte Weitsichtigkeit zu wünschen – und dies ausschließlich im wortwörtlichen Sinne.